#RfPWorldAssembly2019
10. Weltversammlung
Kernthemen
Kernthemen
Folgende Kernthemen wurden bei der Weltversammlung behandelt.
Das Potenzial: Effektives Handeln
Um effektiver Handeln zu können, schließen sich die Weltreligionen nicht nur aufgrund geteilter Werte zunehmend zusammen. Mit ihren positiven Friedensvisionen und zahlreichen potenziellen Ressourcen, einschließlich ihrer enormen Anzahl an Gläubigen und Anhängern, ihrer Spiritualität, ihres ethischen Erbes und ihrer umfangreichen Infrastrukturen haben sie sehr viel bessere Voraussetzungen als viele andere Akteure, um sich effektiv für den Frieden und das Gemeinwohl einzusetzen. Daher auch stand interreligiöses Handeln im Zentrum der 10. Weltversammlung: Handeln, um gewaltsame Konflikte zu lösen, um Inklusion und Solidarität zu fördern, um nachhaltige Entwicklung zu unterstützen und um die Umwelt zu schützen. Interreligiöses Handeln war die Grundlage der 10. Weltversammlung und zugleich ihr wichtigstes Ergebnis.
Eine weitere Leistung der 10. Weltversammlung war es, religiöse Akteure über trennende Grenzen hinweg in Lindau zusammen- und ins Gespräch zu bringen. Einander zuhören und zu versuchen, den anderen zu verstehen, auch wenn man dessen Position nicht teilt. „We agree to disagree“, also „Wir sind uns einig, dass wir unterschiedliche Meinungen haben“, war Botschaft und kulturelle Leistung in sich. Ziel der 10. Weltversammlung von Religions for Peace war es, angesichts von politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und entwicklungspolitischen Konflikten, die Religionsgemeinschaften bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung zu unterstützen. Dieser Dialog wirkte als eine Art „Soft Power,“ die auf geteiltem Verantwortungssinn, der gemeinsamen Entwicklung von Vertrauen, Glaubwürdigkeit und koordiniertem Engagement basiert.
Das herausragende Merkmal von Religions for Peace ist, dass die Organisation „von oben und von unten“ wirkt. Sowohl die lokalen Gemeinschaften als auch die religiösen Führungspersönlichkeiten setzen sich über Grenzen hinweg für die Schaffung von Frieden ein. Es werden Initiativen lanciert, um lokale Koalitionen zu etablieren, die vor Ort konkrete Probleme angehen können. Auch dank der Nutzung neuer und sozialer Medien können sie insbesondere in multikonfessionellen Kontexten als Katalysatoren wirken.
Gemeinsam gegen Radikalisierung und Eskalation
Die Transformation wahrgenommener Lebenswelten führt zu Ängsten und zur Erosion sozialer Bindungen. Das Potenzial des interkonfessionellen Dialoges liegt in einer grundsätzlichen Wesensverwandtschaft praktisch aller Glaubensrichtungen. Sie wirken, indem sie die Gegenwart transzendieren und ihr Sinn verleihen. Sie geben Halt in einer sich wandelnden Welt: Halt im Glauben und Halt in der Glaubensgemeinschaft. Dieser Halt, die Notwendigkeit von Sinngebung und Gemeinschaftsbildung, wird im digitalen Zeitalter noch bedeutender, aber auch herausfordernder.
Diese Funktion der Sinngebung und des Stiftens von Gemeinschaft wirkt inkludierend wie exkludierend. Im Bewusstsein darüber symbolisiert der Lindauer Dialog eine Einladung zur Verständigung über Grenzen und Differenzen hinweg. Miteinander zu sprechen bedeutet, den anderen in seiner Andersartigkeit anzuerkennen und zu respektieren. Es ist ein „Gegenmittel“ gegen Radikalisierung und Eskalation. Indem die Weltreligionen in diesen Dialog eintreten, stellen sie ihren Verantwortungssinn nach innen wie nach außen unter Beweis.
Klimawandel: ein existenzielles Thema
Darüber hinaus hat die Weltversammlung ihre Teilnehmer:innen eingeladen, darüber zu reflektieren, wie unsere Einstellungen zu Wirtschaftssystemen, politischen Institutionen und Gesellschaften zu bewerten sind – schließlich zu verbessern. Grundlage war die Frage, welchen Beitrag sie zu gemeinsamem Wohlbefinden und im Dienste der Menschheit leisten und inwiefern sie vor allem die Umwelt gebührend wertschätzen und schützen. „Gemeinsames Wohlbefinden“ („Shared Well-being“) drückt im Kern ein „positives“ Friedensverständnis aus, eine Anerkennung, dass Frieden mehr ist als die bloße Abwesenheit von Krieg und Konflikten – eine Ansicht, die jede religiöse Tradition auf ihre Art und Weise zum Ausdruck bringt.
Sorge um die Schöpfung bedeutet auch die Sinngebung der Existenz jedes Einzelnen in seiner Umwelt. Ein globaler Diskurs zur Nachhaltigkeit kann nicht nur unter Eliten geführt werden, sondern sollte die lokale Ebene miteinbeziehen. Initiativen eines interkonfessionellen Dialogs über Nachhaltigkeit ermöglichen es, die sinngebenden und gemeinschaftsstiftenden Funktionen der Religionen zu aktivieren. Der Fokus auf Transzendenz verleiht den Religionen einen langen Atem, wenn es um weltliche Dinge geht. Damit setzen sie einen Kontrapunkt zur Dominanz der Gegenwart. Der Klimawandel zeigt auf, dass die Existenzgrundlage der Menschheit auf dem Spiel steht. Nachhaltiges Denken und Handeln sind somit fällig. In diesem Zusammenhang macht sich die Weltversammlung von RfP selbst – aber auch aller Welt – bewusst, ruft dazu auf, in neuer Weise Verantwortung zu übernehmen.
Religion als "Treuhänder des Wissens" gegen Fake News
Sinngebung und Gemeinschaftsbildung sind in Zeiten von „Fake News“ wichtiger denn je. Auch wenn man Fakten unterschiedlich interpretieren mag, ist es Teil der Verantwortung von Religionen, eine Treuhänderfunktion für das „Wissen über die Welt“ einzunehmen und Fakten nach bestem Wissen und Gewissen darzustellen. Dies wirkt nicht nur als Schutz gegen Demagogie, als „Gegenmittel“ gegen eine Instrumentalisierung des Glaubens, sondern trägt auch zu einem gesunden gesellschaftlichen Diskurs bei, der ethnische, religiöse oder weltanschauliche Differenzen überbrücken und einen „Common Sense“ etablieren kann. Dieser stützt ein gesellschaftliches Miteinander. Religions for Peace verdeutlicht als Weltversammlung die Notwendigkeit, die gesamte Welt umfassende gemeinschaftliche Wohl als Aufgabenstellung zu begreifen, nicht nur das nationale Gemeinwohl. In dieser Hinsicht bringen die Religionen ihre spirituelle Kraft und Fähigkeit, ihr Vertrauen und ihre Zuversicht mutig ein.