„Gescheiterte Führung“ – Azza Karam analysiert am Ökumenischen Kirchentag den Konflikt im nahen Osten
"Gescheiterte Führung" – Azza Karam analysiert am Ökumenischen Kirchentag den Konflikt im nahen Osten
Das Motto des dritten Ökumenischen Kirchentags lautete: "Schaut hin, packt an". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel gehörte zu den vielen Gesprächsgästen. Azza Karam betonte in einem Videotalk den Stellenwert der Kooperation zwischen den Religionen.
(Frankfurt) Der laufende Konflikt im Nahen Osten ist eine Konsequenz gescheiterter Führung – sowohl auf politischer als auch auf religiöser Ebene. Das sagte Prof. Azza Karam, Generalsekretärin von Religions for Peace, am Samstag als Talkgast auf dem 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt.
„Solange wir nur an die Interessen einer Person, einer politischen Partei oder einer Religion denken, solange wir also an die Interessen eines Einzelnen denken – egal wie klein oder groß dieser ist –, werden wir niemals Sicherheit, Frieden und Stabilität in dieser Region haben.“ Der Konflikt sei auf eine einfache Formel zu reduzieren: „Niemand ist sicher – weder Israelis noch Palästinenser – solange nicht beide, wenn nicht jeder in dieser Region sicher ist. Das ist eine einfache Realität. Das ist keine Raketenwissenschaft, es ist eine einfache Realität.“
Deshalb führe kein Weg daran vorbei, dass sich die Führungen der politischen Parteien und religiösen Institutionen aufeinander zubewegen, zusammenarbeiten, um sich gegenseitig zu unterstützten.
„Niemand ist sicher – weder Israelis noch Palästinenser – solange nicht beide, wenn nicht jeder in dieser Region sicher ist. Das ist eine einfache Realität.”
Azza Karam
Der Ökumenische Kirchentag ist ein christliches Treffen in Deutschland, das vor allem von den beiden großen Konfessionen – Protestanten und Katholiken – organisiert wird. Der erste Ökumenische Kirchentag fand 2003 in Berlin statt, der zweite 2010 in München, der dritte nun 2021 in Frankfurt – wegen der Corona-Pandemie vor allem als virtuelle Veranstaltung.
Das Motto des Kirchentags lautet: „Schaut hin, packt an“. Die drei Leitthemen beschäftigten sich mit diesen Fragen: „Alles eine Frage des Glaubens und Vertrauens?“, „Zusammenhalt in Gefahr?“ und „Eine Welt – Globale Verantwortung?“
Die Bedeutung der interkonfessionellen Konferenz wurde auch von der Prominenz der Teilnehmer unterstrichen. So wurde der Kirchentag am Freitag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet. Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm am Samstag als Gesprächsgast teil und diskutierte unter anderem mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer, der Landjugendvorsitzenden Daniela Ordowski und den beiden Nachhaltigkeitsforschern Prof. Ortwin Renn und Prof. Uwe Schneidewind über den gegenwärtigen Zustand des Umweltschutzes in Deutschland. Auch Margot Käßmann, Co-Präsidentin von Religions for Peace, gehörte zu den Gesprächsgästen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht auf dem 3. Ökumenischen Kirchentag über Umweltschutz.
Prof. Azza Karam, selbst Muslimin, ist am Samstag in der Reihe „Gespräche“ aufgetreten. Dabei analysierte sie nicht nur den aktuellen Gewaltausbruch in Israel und im Gaza-Streifen. Sondern sie sprach auch darüber, warum Religionen weltweit auf politischer Ebene so wenig Gehör hätten: Religionen befänden sich miteinander immer noch Wettstreit, Religionen strebten danach „besser zu sein als die anderen“, sie stritten zu sehr über Werte und darüber, welcher Gott gnädiger oder gütiger sei. Diese Diskussion verhindere echte Zusammenarbeit, was dazu führe, dass Religionen ihre Stimme als moralische Instanz verlieren würden.
„Findet diejenigen, die leidenschaftlich über ihren Glauben denken und fühlen und glauben. Findet zueinander, arbeitet zusammen und dient gemeinsam.”
Azza Karam
Karam stellte gleichzeitig heraus, wie hilfreich und durchschlagskräftig Glaubensgemeinschaften und glaubensbasierte Nichtregierungsorganisationen in humanitären Angelegenheiten sein können, sofern sie zusammenarbeiteten. Das beste Beispiel dafür sei die Corona-Pandemie. Am schnellsten und effektivsten gelänge Hilfe, wenn Religionsgemeinschaften miteinander kooperierten und nicht einzelne Maßnahmen für sich ergreifen würden. Wie gut das funktioniere, habe man beobachten können, als das Religions for Peace-Netzwerk den „Multireligiösen humanitären Fonds als Reaktion auf COVID-19“ aufgelegt habe.
„Findet diejenigen, die leidenschaftlich über ihren Glauben denken und fühlen und glauben. Findet zueinander, arbeitet zusammen und dient gemeinsam. Das ist die Lektion, die wir aus dem multireligiösen Hilfsfonds gelernt haben, das ist, was wir wollen.“
Religions for Peace und Allianz der Zivilisationen bekräftigen bei einem hybriden Treffen im Dezember eine engere Zusammenarbeit. Auch die Deutsche Außenpolitik misst der interreligiösen Zusammenarbeit zukünftig eine größere Bedeutung bei.
Das Motto des dritten Ökumenischen Kirchentags lautete: „Schaut hin, packt an“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel gehörte zu den vielen Gesprächsgästen. Azza Karam betonte in einem Videotalk den Stellenwert der Kooperation zwischen den Religionen.
Der renommierte Friedenspreis wird alle zwei Jahre international verliehen. 2016 erhielt die Bundeskanzlerin Angela Merkel die „Freedom Medal“. Nun ist Religions for Peace in der Kategorie „Religionsfreiheit“ ausgezeichnet worden.
Vertreterinnen und Vertreter des Religions for Peace-Netzwerks haben sich mit Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, dem Generalsekretär der WHO, über Impfgerechtigkeit ausgetauscht und über die Notwendigkeit, sich stärker mit Impfgegnern zu befassen.
Unsere Partner von Religions for Peace in New York haben gerade eine wundervolle neue Website gestartet. Wenn Sie etwas Zeit haben, können Sie sie besuchen und durchstöbern.
Die fünftägige Veranstaltung G20i findet statt von Dienstag, 13. Oktober, bis Samstag, 17. Oktober. Professor Azza Karam, Generalsekretärin von Religions for Peace, wird als Rednerin teilnehmen im Plenum „On the empowerment of women, youth and vulnerable people“ (Donnerstag, 15. Oktober, 14 bis 15.30 Uhr, Deutscher Zeit).