Versöhner oder Kriegstreiber? Vom Friedenspotential der Religionen
Autor Moritz Findeisen von katholisch.de erörtert aus aktuellem Anlass des Krieges in der Ukraine, inwiefern Religionen eher Frieden stiften oder Konflikte schüren.
Gunnar Stålsett, ehemaliger evangelisch-lutherischer Bischof von Oslo, hat am Freitag den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verliehen bekommen. Stålsett ist Honorary President von Religions for Peace und Stiftungsrat der Lindauer Stiftung Friedensdialog der Weltreligionen und Zivilgesellschaft. Die Verleihungszeremonie fand am Freitag in Oslo im Zuge eines Staatsbesuchs des Bundespräsidenten in Norwegen statt.
Bundespräsident Steinmeier erinnerte in seiner Ansprache an seine erste Begegnung mit Gunnar Stålsett im Jahr 2019, als in Lindau die 10.Weltversammlung von Religions for Peace abgehalten wurde. Dort, sagte Steinmeier, „habe ich persönlich erlebt, mit welcher Leidenschaft Sie für die Idee der Friedensverantwortung der Weltreligionen eintreten. Für die Überzeugung, dass Religionen kein Anlass mehr sein dürfen für Unfrieden und Krieg, sondern dass sie im Gegenteil Werkzeuge des Friedens sein können – und müssen.“ Stålsett habe sich mit aller Konsequenz für seinen Glauben engagiert, dass er sogar dafür bereit gewesen wäre, ins Gefängnis zu gehen. „Sie haben in Ihrem langjährigen Wirken nicht nur viel erreicht, sondern auch unzähligen Menschen Orientierung geboten und Beispiel gegeben“, würdigte Steinmeier.
„Als Christ sehe ich die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung als Katechismus für unsere Zeit, als ein Handbuch für Religionen und Gesellschaften, für alle Menschen guten Willens. Ebenso spirituell wie politisch. Es hilft uns, Barmherzigkeit täglich zu praktizieren.”
Gunnar Stålsett (Credit: Bundesregierung / Guido Bergmann)
Gunnar Stålsett bedankte sich für die Auszeichnung und betonte, dass er stolz darauf sei, sie aus Steinmeiers Hand zu erhalten. Auch er erinnerte an die 10-Weltversammlung – und zwar an die Eröffnungsrede Steinmeiers: „Ihr Apell hat dazu beigetragen, die Zusammenarbeit zwischen religionsverschiedenen Menschen zu stärken und Lindau als ein Zentrum für Friedensdialog der Weltreligionen, Zivilgesellschaft und Diplomatie zu etablieren.“
Die großen Menschheitsfragen seien laut Stålsett heute nicht philosophisch, sondern praktisch: Klima und Pandemie, Gleichheit und Kinderrechte, Asyl und Integration, Atomwaffen-Verbot und Abrüstung. „Es geht um Mut für konkretes Handeln“, sagte der ehemalige Bischof des Bistums von Oslo. „Als Christ sehe ich die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung als Katechismus für unsere Zeit, als ein Handbuch für Religionen und Gesellschaften, für alle Menschen guten Willens. Ebenso spirituell wie politisch. Es hilft uns, Barmherzigkeit täglich zu praktizieren.“
Wolfgang Schürer, Vorstand der Stiftung Friedensdialog der Weltreligionen und Zivilgesellschaft, gratulierte am Freitag Gunnar Stålsett und dankte ihm für sein weltweites Engagement im Bereich der Menschenrechte und des Klimaschutzes. Diese lasse die nächste Generation Hoffnung schöpfen. „Mit dieser Auszeichnung würdigt der Bundespräsident auch die Lindauer Initiativen, die von Bischof Stålsetts Bestreben inspiriert sind“, sagte Schürer.
Neben Gunnar Stålsett wurde auch die norwegische Sängerin Wencke Myrhe mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Steinmeier sagte ihnen beiden: „Sie machen unsere Gesellschaften und unsere Welt lebenswerter. Und Sie haben die deutsch-norwegische Freundschaft mit Leben und mit Träumen gefüllt und bereichert.“
Gunnar Johan Stålsett wurde am 10. Februar 1935 in Kjelvik, Norwegen geboren. Von Oktober 1972 bis Oktober 1973 arbeitete er als Staatssekretär im norwegischen Ministerium für Kirche, Bildung und Kultur. Von 1998 bis 2005 war er Bischof des Bistums Oslo. Er gehörte außerdem dem Nobelkomitee zur Vergabe des Friedensnobelpreises an (von 1985 bis 1990 und von 1994 bis 2002 und erneut seit 2012). Stålsett ist einer von 32 Ehrenpräsidentinnen und Ehrenpräsidenten bei Religions for Peace und Stiftungsrat der Stiftung Friedensdialog der Weltreligionen und Zivilgesellschaft in Lindau.
Photocredit: Bundesregierung / Guido Bergmann